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Schule in Zeiten von Corona

Laptop statt Tafel... Mailen statt Melden. Corona hat das Lehren und Lernen erheblich verändert. Wie genau, erzählen Lehrer*innen und Schüler*innen hier.

Mit Corona kam nach der Maskenpflicht der Distanzunterricht. Eine große Herausforderung für den Unterrichtsablauf, für Lehrer*innen und Schüler*innen gleichermaßen. Vieles hat sich inzwischen schon eingespielt, Kreativität und Flexibilität bleiben jedoch weiterhin gefragt. Die Technik steht, die Organisation läuft. Hinter all dem stehen ein engagiertes Lehrerteam und viele motivierte Schüler*innen, die in dieser Zeit ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Eindrücke sammeln. Und genau davon wollen wir in dieser Reihe erzählen und damit der Distanz wieder ein Stück Nähe geben. Nachfolgend drei Beiträge aus einer Reihe von Geschichten von Lehrer*innen und Schüler*innen, die wir in der nächsten Zeit hier veröffentlichen. 

 

Bericht 3: Ein Tag als Lehrerin

 

DU = Distanzunterricht = (Wissen x PC-Kenntnisse) + Herz+ Motivation 


                                                          100                          Leidenschaft

oder: Das DU im Distanzunterricht

Normalerweise spreche ich im Unterricht frei. Die Schüler*innen und ich haben ein Handout über den Unterrichtsstoff, das die wichtigsten fachtheoretischen Inhalte und hin und wieder ein paar Arbeitsaufträge enthält. Und dann erzähle ich drauflos, zeige manchmal ein themenbezogenes Video, werfe Bilder und Texte an die Wand oder fasse Inhalte und Arbeitsergebnisse an der Tafel zusammen. Aber das Entscheidende für mich ist eigentlich das Unterrichtsgespräch: Denn der Unterrichtsstoff wird erst durch den Austausch mit und zwischen den Schüler*innen lebendig und anschaulich. Jede*r kann über eigene (Praxis-) Erfahrungen berichten und seine oder ihre Sichtweise aufs Thema äußern. Unterricht und Lernen ist ein gemeinsamer Prozess.

Jetzt haben wir Distanzunterricht. „DU“, wie es so schön heißt. Da steckt „Du“ drin. Wie eine Aufforderung: Du bist jetzt alleine verantwortlich! – Schüler*innen wie Lehrer*innen.

Und so denke ich bei der Unterrichtsplanung: „Hey, DU musst noch dein Skript an den Distanzunterricht anpassen!“ Das bedeutet, das Handout muss viel ausführlicher werden, denn die Schüler*innen können nicht so gut mitschreiben wie im Präsenzunterricht. Und es gibt kein klassisches Klassengespräch, an dem sich alle beteiligen (können). Dadurch brauchen die Schüler*innen mehr Inhalte im Handout, als wenn wir den Inhalt gemeinsam erarbeiten.

Und dann denke ich bei der Vorbereitung des Unterrichts: „Hey, DU könntest noch eine Präsentation erstellen, in die DU die Bilder einfügst!“ Denn ich habe keine Wand mehr, an die ich etwas werfen kann. (Noch nicht mal einen Schwamm…)

Und dann denke ich im Unterricht: „Hey, DU musst das genauer, strukturierter und auf unterschiedliche Arten erklären!“ Denn die Schüler*innen haben nun weniger Wahrnehmungs- und Kommunikationskanäle zur Verfügung. Und damit weniger Möglichkeiten die Inhalte zu erfassen.

Und nach dem Unterricht bedauere ich: „DU kannst gar nicht feststellen, ob alle den Stoff verstanden haben. DU siehst die Schüler*innen ja gar nicht.“

Und dann denke ich an Martin Buber und den Satz: „Der Mensch wird am DU zum ICH.“ – Ich bin mir sicher: Buber hat damit sicherlich nicht das Unterrichten, Lernen und Arbeiten auf Distanz gemeint!

 

Bericht 2: Ein Tag als Schüler*in

 

"Ich muss sagen, dass ich am Anfang schon skeptisch war, ob das alles so funktionieren wird und wir auch genügend Stoff vermittelt bekommen.

Aber es klappt wirklich sehr gut. Auch haben die Lehrer*innen und Schüler*innen schon viel gelernt im Umgang mit Microsoft Teams.

Wenn man bedenkt, dass es vor einem Jahr für die meisten von uns noch absolutes Neuland war, an einer Videokonferenz teilzunehmen, ist es mittlerweile ganz normal.

Sicherlich sind unsere Kenntnisse mit diesem neuen Medium noch ausbaufähig und es wird uns auch gewiss noch einige Zeit begleiten."

 

Bericht 1: Ein Tag als Lehrerin

7:40 Uhr: PC hochfahren, Dateien hochladen, einloggen in Teams. Oh nein, mein Sohn hat für seine Videokonferenz gestern einen gelben Ferrari als Hintergrundbild eingespeichert. Ich kann das Bild noch löschen, bevor sich die ersten Schüler*innen einloggen.
8:10 Uhr: Juhuu, alle Schüler*innen haben den Weg aus dem Bett und in die Teams-Gruppe gefunden und wir können mit dem Unterricht starten.
8:15 Uhr: Ich lese im Chat: Eine Schülerin möchte wissen, wann die verschobene Schulaufgabe nachgeholt werden kann. Leider weiß auch ich nicht, wann
der Präsenzunterricht wieder möglich sein wird – ein Grund mehr, baldmöglichst mit unserem Kultusminister zu sprechen.
8:30 Uhr: Nach weiteren Fragen kann der Unterricht beginnen – jetzt wirklich. Ich teile meinen Bildschirm mit den Schüler*innen um ein neues Thema anhand eines Fachtextes einzuführen. Ich sehe nun nur noch meinen eigenen Bildschirm und spreche unerschrocken hinein. Hätte ich vor einigen Jahren mit einer schwarzen Kiste gesprochen, wäre ich evtl. in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden, heute ist dieses Verhalten Teil meines Psychologie-Unterrichts.
8:45 Uhr: Ich schalte mich zurück zu den Schüler*innen und frage nach, ob alles verständlich war. Leider hat nur etwa die Hälfte der Klasse die Kamera aktiviert, sodass ich jetzt in viele kreisförmige Fotos oder Comic-Bildchen blicke. Ich freue mich über das Superman-Bild, bin aber auch froh, manche Schüler*innen live am Bildschirm zu sehen. Eigentlich hatte ich ja einen sozialen Beruf gewählt, weil ich gerne mit Menschen zusammen bin.... .
9:25 Uhr: Nach einigen Theorie-Einheiten, kurzen Fragerunden und einem Lehr- Video leite ich eine digitale Gruppenarbeit ein. Aus dem Kinderzimmer unserer älteren Tochter höre ich den Wecker klingeln. Er soll sie daran erinnern, dass es jetzt Zeit ist, ihrer jüngeren Schwester beim Einloggen in ihre Videokonferenz zu helfen. Hoffentlich hält unsere Internetverbindung der 4. Videokonferenz noch stand!
9:50 Uhr: Alle Schüler*innen kehren aus den Kleingruppen wieder zurück und präsentieren ihre Arbeitsergebnisse. Ich bin stolz auf „meine“ Klasse und die tollen Präsentationen. Auch digital kommt der Lernstoff offensichtlich an – hoffentlich auch bei den eher stillen Schüler*innen.

10:10 Uhr: Ich bitte die Klasse, als Hausaufgabe noch eine Übung herunterzuladen und bis zur nächsten Stunde zu bearbeiten. Die Freude hält sich in Grenzen.

10:15 Uhr: In der 30-minütigen Pause belege ich ein paar Brote, schneide Äpfel auf und klappere die Kinderzimmer ab. Ich kläre Fragen, stelle wieder einmal fest, das Kopfrechnen nicht meine Stärke und der Latein-Unterricht auch schon lange her ist. Unsere Jüngste hat keine Lust mehr, alleine zu arbeiten- trotz meines ausgefeilten "Chaka-Du-schaffst-das"-Motivationstrainings.
10:45 Uhr: Ich unterrichte noch eine Stunde in einer anderen Klasse. Ein Schüler möchte mir mehrmals etwas mitteilen, friert aber auf dem Bildschirm immer wieder mitten im Satz ein. Er mailt sein Anliegen schließlich einer Mitschülerin, die es weitergibt. Schön, dass die Schüler*innen so kreativ sind.
11:00 Uhr: Ich bin gerade dabei, eine Übungsaufgabe zu besprechen, als der Kaminkehrer in unsere Einfahrt biegt. Er klingelt, ich spreche unbeirrt weiter. Er klingelt wieder, diesmal länger und in meinen Ohren lauter, was natürlich gar nicht möglich sein kann. Ich ignoriere das Läuten wieder, meine Kinder offensichtlich auch. Der Kaminkehrer fährt wieder davon.
11:15 Uhr: Nach dem Unterricht sende ich einer Klasse, wie gewünscht, noch ein paar Unterlagen und schalte dann den PC aus. Plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich nicht aus Versehen das Einmaleins-Übungsblatt meiner Tochter im Anhang versendet habe. Ich fahre den PC noch einmal hoch, um es nachzukontrollieren und stelle mir „meine“ Schüler*innen beim Einmaleins üben vor.
11:30 Uhr: Ich gehe nach oben und helfe meinen Kindern bei den restlichen Aufgaben, während mein Mann in seiner Mittagspause nach Hause kommt und das Essen kocht.
Nachmittags: Nach der Fahrt zur Kieferorthopädin telefoniere ich mit einer Kollegin – schön, sie zu hören, ich vermisse unser tolles Kollegium!! Um 17.00 Uhr hat unsere Tochter noch einmal eine Videokonferenz mit ihrer Grundschul-Klasse, da die Technik am Vormittag nicht funktioniert hat. Ich rufe sie gerade noch rechtzeitig herein.
Abends: Nach dem Abendessen spielen die Kinder ihre Instrumente und dann etwas, das sich anhört wie „Wer kann am lautesten schreien“. Ich rufe mir sämtliche Anti-Stress-, Yoga- und Achtsamkeits-Seminare in Erinnerung, öffne das Fenster und atme tief ein und aus. Dabei beschließe ich auch, dass der Arbeitsauftrag aus der zweiten Klasse „Wir basteln ein Fensterbild“ heute nicht ganz so wichtig ist und bis morgen warten kann. Nachdem bei uns langsam Ruhe einkehrt, bereite ich den Unterricht für morgen vor. Dann schaue ich auf dem Laptop noch die Nachrichten an. Mit Blick auf den Februar erfahre ich von unserem Kultusminister: „Wir müssen uns auf alles einstellen“. Mein Mann fragt, ob ich ein Glas Wein mit trinke. Ich frage mich, ob wir auch Schnaps im Haus haben, telefoniere dann aber doch lieber mit einer guten alten Freundin.